das einfache ergibt sich aus dem praktischen

| ludwig oechslin (text und bilder)

praktisch zum

  • herstellen und
  • brauchen

herstellen

beim herstellen hängt man von den herstellungsmitteln ab, die einem zur verfügung stehen – und natürlich dem vorwissen, wie man damit umgehen kann. mit zirkel, lineal, anreissstift, säge, feile und stichel kann man fast alles aus metall herstellen. dies stellt martin brunold mit seinen astrolabien und weltmodellen überzeugend unter beweis.

wenn ich darüber nachdenke, was für eine uhr ich bauen soll und wie ich sie bauen kann, so ist das soll bereits vom kann eingeschränkt, da dieses das andere vorbestimmt.

jedoch enthält meine werkstatt neben üblichen uhrmacherinstrumenten wie handdrehbank, punzen- und presskasten usw. auch eine lehrenbohrmaschine von hauser, drehbänke von schäublin und eine kleine cnc von kern. da ich nur trocken arbeite, stelle ich damit in erster linie teile aus messing her.

um die teile vorzubereiten konstruiere ich sie zunächst zweidimensional auf autocad lt. eine dreidimensionale überprüfung der ideen nehme ich in solidworks vor. ich richte meine konstruktionen vorwiegend so aus, dass ich die meisten teile hauptsächlich auf der cnc über drei achsen (x, y, z) mit verschiedenen fingerfräsern herstellen kann.   

damit kann ich fast alle kinematischen abläufe meiner konstruktionen in der fläche auf verschiedenen ebenen umsetzen. und schliesslich sind die meisten nützlichen anzeigen einer uhr mit solchen kinematischen abläufen auf simpler geometrischer basis erreichbar.

da es sich bei der kinematischen umsetzung hauptsächlich um eine reine bewegungsübertragung handelt und nicht um eine weitergabe von kraft oder kraftumsetzung, ist zwar eine hohe präzision der grundelemente der konstruktion, wie der drehpunkte und teilkreise der zahnräder, und die geschickte verteilung der verschiedenen elemente auf übertragungsebenen nötig, jedoch nicht so sehr die beachtung der dynamischen nebeneinflüsse wie etwa reibungsverluste. deswegen kann bei der konstruktion von kinematischen abläufen die wirkung der verschiedenen materialien aufeinander eher vernachlässigt werden, sodass auch etwa messing auf messing oder in messing ohne druck gut laufen kann.

ich erlaube mir deshalb für drehende teile wie räder etwa, statt in zapfenlöchern oder rubinen geführte achsen einzusetzen, achsstifte auf den ausgefrästen platinen stehen zu lassen.

und überhaupt versuche ich so weit wie möglich drehende teile einzusetzen, und hebel und federn für begrenzte hin- und-her-bewegungen, wie sie etwa in klassischen ewigen kalendern eingesetzt werden, zu vermeiden. dies verlangt natürlich eine ganz andere konstruktionsweise als die bisherige. um dieselben ziele in der anzeige zu erreichen, setze ich daher vermehrt das prinzip des malteserkreuzes ein, um bewegungen zu unterbrechen und dann wieder schrittweise auszuführen, und arbeite mit den mitteln der zahnlücken und vollständiger und geköpfter zähne, um schritte bei schrittweisen drehungen gelegentlich zu verdoppeln oder zu beschleunigen. damit kann ich unregelmässige bewegungen erzeugen bzw. programmieren.

in ähnlicher weise setze ich auch epizyklische und differenzialgetriebe ein, um drehzahlverhältnisse zu verfeinern oder die menge der drehenden teile zu verringern oder räder einzusparen. allerdings ist der berechnungsaufwand in der phase der konstruktionsarbeit dann entsprechend höher.

bei entsprechender grösse und limitierter feinheit der teile kann ich bei dieser art der konstruktion von mechanismen für die mir wichtig scheinenden anzeigen, wenn nicht ganz alle, so doch die meisten teile mit der cnc-maschine herstellen. ich setze dazu neben gewissen formfräsern fingerfräser von einem zehntel millimeter bis zu zehn millimeter ein – und könnte damit zahnräder mit zähnen bis zu einem modul von rund 0,07 fräsen. jedoch versuche ich fräserdurchmesser unter 0,2 mm zu vermeiden, da die feineren fräser doch sehr heikel sind und bei kleinstem überdruck brechen.

fazit: die zur verfügung stehenden mittel, insbesondere die cnc, bestimmen die konstruktionsart und konstruktionsmöglichkeiten, und das beachten von aufwand und ertrag zwingt mich zur beschränkung auf das wesentliche und absolut notwendige, und beides zusammen beeinflusst folglich entscheidend meinen sogenannt minimalistischen konstruktionsstil. um aber mit den beschränkten mitteln die verschiedenen probleme anzugehen, die zu den gewünschten anzeigen führen, ist der überlegungsaufwand desto grösser, je mehr man die verschiedensten probleme möglichst unter einen hut fassen bzw. mit weniger teilen lösen möchte. das ziel dabei ist eine additive anhäufung von einzelnen problemlösungen und entsprechend vielen teilen zu vermeiden. dies führt zwangsläufig zu einer vereinfachten jedoch denkerisch anspruchsvolleren konstruktionsweise sowie zu einer geringeren menge von auszuführenden und einfacheren teilen.

brauchen

für was braucht man eine uhr? um sich im leben zu orientieren. man möchte wissen, welche tageszeit gerade ist, welchen tag in der woche, im monat, im jahr man hat, eventuell zusätzlich, welche tageszeit an einem anderen ort auf der erde ist, wie lange etwas dauert, gedauert hat, oder wie lange es noch dauert, bis sich etwas ereignen wird. und all das möchte man möglichst akkurat, klar und deutlich, genau und zuverlässig wissen.

ich möchte als uhrmacher instrumente herstellen, die zur beantwortung dieser fragen und wünsche brauchbar bzw. von nutzen sein können.

bei anzeigen führen kontrast, farbgebung, grösse und form der teile zu klaren und deutlichen angaben. zeiger sollten deshalb gut unterscheidbar sein, untereinander und vom zifferblatt, das zifferblatt übersichtlich und nicht überladen, und alle anzeigen möglichst auf eine bestimmte entfernung gleich gut lesbar.

die uns geläufige analoganzeige hilft dabei wesentlich, sodass ich auch versuche, das datum in derselben zu gestalten. um mich auf die gewohnte analoganzeige mit der einteilung in 60 und 12 abstützen zu können, habe ich zur anzeige des datums auf eine lochreihe zurückgegriffen, welche in 30 eingeteilt ist, und zwar so, dass jede zweite einheit der 60er-teilung als eine einheit der 30er gelesen werden kann. da das datum aber gelegentlich 31 einheiten notwendig macht, lasse ich die lochreihe sich etwas spiralig erweiternd mit dem 31. über dem 1. enden. die zählung des datums wird dann dadurch erleichtert, dass die 10er der 60er-teilung zugleich die 5er der 30er und damit des datums sind. entsprechend hebe ich auf dem zifferblatt die 10er der 60er hervor oder lasse gleich alle 5er derselben ausfallen.

wie bei der herstellung geht es also auch hier um die beschränkung auf das wesentliche, aber diesmal mit dem ziel der erleichterten lesbarkeit der anzeigen für den benutzer.

zusammengefasst ergibt sich aus dem vorrang der herstellbarkeit und brauchbarkeit, automatisch, wenn dies wirklich überzeugend gelingt, ein angenehmes gefühl, sowohl für den hersteller wie für den benutzer. dass dann das produkt als schön empfunden wird, ist eine folge davon.

also, die beschränkten mittel einerseits bestimmen die auf das wesentliche und notwendige konzentrierte und minimalistische konstruktion und andererseits die alltagstaugliche funktion, die deutliche gestaltung der anzeigen und die simple formgebung des gehäuses

apropos gehäuse, dieses besteht aus lediglich zwei teilen, dem glasrand mit glas und kronenansatz sowie dem gehäuseboden, zwischen denen sozusagen wie bei einem sandwich das werk luft- und wasserdicht eingeklemmt ist.

punkt aus und amen