Dies ist die Geschichte der bis dato aufwändigsten ochs und junior Uhr, die wir je für einen Kunden herstellen durften. Es ist eine Geschichte über Teamwork, über das Geschick und Talent einzelner Expertinnen und Experten und es ist die Geschichte einer speziellen Biografie, zu deren Symbol dieser ewige kalender werden durfte.
Unsere gemeinsame Geschichte mit dem Besitzer dieser Uhr begann am 2. Juli 2017. Aus Nordkalifornien erreichte uns eine E-Mail von einem Uhren-Liebhaber mit der Nachricht, wie spannend und elegant er die Produkte und das Konzept von ochs und junior empfinde und dass er als Uhren-Aficionado, der bisher eher zu klassischen Uhrenmarken tendiert habe, nun bereit für den nächsten Schritt sei.
Seine Frau und er hätten sich mit dem Customizer des ewigen kalenders beschäftigt und nun sei die Frage, ob wir bei der Ausarbeitung eines Bespoke-Konzeptes noch weitergehen könnten.
Dies war der Start eines Projektes, das schliesslich am 29. März 2018 zu seinem Abschluss kam. An dem Tag, als unser Kunde aus Kalifornien mit seinem selbst aufgebauten, sehr persönlichen ewigen kalender am Handgelenk und einem Lächeln auf den Lippen unsere Werkstatt verlassen hat.
Doch der Reihe nach: Wir antworteten auf diese erste E-Mail mit einem ausführlichen Beschrieb der Möglichkeiten, nannten aber auch zwei Dinge, die wir nicht ausführen würden (Schriftzüge auf dem Zifferblatt und einen offenen Gehäuseboden), und baten um ein Telefongespräch, um seinen grundsätzlichen Wunsch, seine Idee zu erfahren und unsererseits präzise Fragen zu stellen.
Unser Gegenüber am Telefon entpuppte sich als Mediziner, welcher im Bereich der Medizinaltechnologie als Investor tätig ist und mit einer kürzlich durchgeführten Knochenmarktransplantation ein einschneidendes Erlebnis in seinem ganz persönlichen ewigen kalender eingearbeitet haben wollte.
Der grundsätzliche Stil der Uhr, die Präsenz, Materialwünsche und weitere Details wurden in einem etwa einstündigen Telefongespräch bearbeitet. Der Gestaltungsprozess sollte ein Teil des Projektes werden und der Kunde wollte in hohem Masse darin involviert sein.
Die Wunschliste beinhaltete, mehrere persönliche Daten einzugravieren und vor allem rote und weisse Blutzellen sowie Blutplättchen, aber auch Arterien, Venen und Knochenmark in ein elegantes, nicht kitschiges visuelles Konzept zu übertragen.
Uns war klar, dass wir die offenen Gestaltungsmöglichkeiten, die Ludwig Oechslins schlichtes Design bietet, ausreizen mussten, um den Balanceakt bestehen zu können, eine solche Uhr mit hoher Eleganz und Symbolkraft zu realisieren. Die einzuarbeitenden Wunschelemente sollten auf der Uhr möglichst logische Stellen bespielen und nicht auf den ersten Blick als solche zu erkennen sein.
Nachdem Cail Pearce das Konzept ausgearbeitet und Andy Jossi es visuell umgesetzt hatte, schrieben wir unserem Kunden (auszugsweise) Folgendes:
Gedanken
Gerne realisieren wir Ihre personalisierte ochs und junior auf der Basis des von Ludwig Oechslin erfundenen und gestalteten ewigen kalenders.
Das Ziel ist ein zeitgenössischer Zeitmesser, der hochgradig funktional und exzellent für den Gebrauch im Geschäftsalltag, bei Ihren regelmässigen viertelstündigen Meetings und Ihren Vorstandssitzungen ist. Es soll aber auch ein Zeitmesser werden, den Sie täglich tragen können, auch im privaten Leben mit Ihrer Familie. Der dritte Anspruch ist, dass es seine sehr persönliche Uhr werden soll.
Das Grundmaterial für diese elegante und praktische Uhr wird Titan sein (Gehäuse, Krone, Schliesse).
Die Zeiger und Indices sollen in der Nacht sichtbar sein und bei Tag eine ausgezeichnete Lesbarkeit bieten. Um dies zu erreichen, würden wir das Zifferblatt in einer dunklen Grundfarbe halten und die Zeiger und Indices wären in einer hellen Farbe.
Die angestrebte Lösung würde einen Farbauftrag beinhalten (Super-LumiNova) sowie Elemente, bei denen das gefräste, unpolierte Metall sichtbar bleibt.
Gleich vorweg möchten wir erklären, dass eine dieser Vorgaben, die nachtsichtbaren Zeiger und Indices, nicht kompatibel sind mit der detaillierten Malarbeit, die wir in diesem ersten Konzept für Ihre Zeiger und Indices vorschlagen. Wenn Sie nachtsichtbare Zeiger und Indices wünschen, so müssen diese einfarbig sein (es ist nicht möglich, mit Super-LumiNova zu zeichnen / malen). Falls Sie trotzdem lieber in jene Richtung gehen möchten, lassen Sie uns dies wissen!
Mit dieser Vorwegbemerkung, hier sind unsere Ideen und Gedanken hinter den Modellen:
1. Das Material: Wie Sie wissen, wird Titan auch als Material für medizinische Implantate, beispielsweise für künstliche Hüftgelenke, verwendet. Gleichzeitig ist es auch das vielleicht funktionalste Material für Uhren. Wir möchten deshalb vorschlagen, nicht nur das Gehäuse, die Krone und die Schliesse Ihrer persönlichen Uhr aus Titan zu fertigen, sondern auch das Zifferblatt, die Zeiger und die Scheiben. Somit wäre Titan das einzige sichtbare Metall bei Ihrem individuell gestalteten Zeitmesser.
2. Zwei Gestaltungsebenen: Wir könnten uns vorstellen, eine hochfunktionale und gleichzeitig extrem persönliche Uhr zu kreieren, indem wir mit einer zweiten Gestaltungsebene arbeiten, welche nur mit einer Uhrmacherlupe sichtbar ist. Bei diesem Vorschlag würden wir auch eine personalisierte Uhrmacherlupe aus Titan und ein elegantes, handgemachtes Etui fertigen, welche zu Ihrer Uhr passen. Mit dieser Lupe würden sich die Details dieser zweiten Gestaltungsebene Ihrer personalisierten Uhr offenbaren. Dies wären Details, die Sie nur bei familiären Treffen in Ihrem Zuhause oder im privaten Büro teilen würden – nicht aber mit flüchtigen Bekannten oder bei zufälligen Begegnungen. Wir denken, dass dies Sinn macht, da viele der Elemente, die Sie auf Ihrer Uhr dargestellt haben möchten (Blutgefässe, rote und weisse Blutkörperchen etc.) auch nur unter dem Mikroskop sichtbar sind. Diese für das blosse Auge sichtbar zu machen, scheint uns keine genügend feinfühlige Interpretation der Anstösse, die Sie uns geliefert haben.
3. Zeiger und Indices: Wir denken, dass die Zeiger entweder lasergravierte oder handgemalte Blutgefässe aufweisen könnten. Die genauen Farben könnten Sie bestimmen. Von blossem Auge sähe man den Kontrast. Mit der Lupe würde sich dann die nächste Ebene zeigen und man sähe klar, dass dies Darstellungen von Blutgefässen sind.
4. Die Punkte: Wir könnten uns vorstellen, dass die Bohrungen handgemalte Darstellungen von roten Blutkörperchen zeigen. Da weisse Blutkörperchen im Blut weit weniger zahlreich sind als rote, könnten die Datum- und Monatspunkte von weissen Blutkörperchen dargestellt werden, während die häufigeren roten Blutkörperchen die anderen Lochungen besetzen würden.
5. Die Gravur: Den Gehäuseboden Ihres ewigen kalenders könnte eine 3D-Gravur von Knochenmark zieren. Diese würde in einem speziellen Verfahren erstellt, ähnlich dem, das wir für die Uhr von Ming Thein verwendet haben. Zuerst müsste der Gehäuseboden gefräst werden, dann präzise mit einem Laser radiert, so dass wir Farbabstufungen von fast Weiss bis Schwarz sowie verschiedene Grautöne dazwischen erzielen könnten. Dieses Muster wäre von blossem Auge sichtbar, also ohne Lupe, da es so von der Grösse her eher der eigentlichen Grösse von Knochenmark entspricht. Wir dachten ausserdem daran, Ihre 5 Daten folgendermassen einzubeziehen: die 4 wichtigen Geburtstage auf den 4 „Säulen“ der Uhr (den Bandanstössen) und das Datum, das die Knochenmarktransplantation repräsentiert, im Zentrum, da der Gehäuseboden ja mit einem Knochenmark-Design ausgestaltet würde. So müssten Sie auch nicht auswählen, welche Geburtstage im Design prominenter sein sollen als die anderen. Die Schrift, die wir üblicherweise verwenden, ist Helvetica Neue, eine in der Schweiz gestaltete Schrift, die wir für all unsere Kommunikation nutzen, aber natürlich können Sie auch eine andere Schrift auswählen.
6. Ein alternatives Konzept: Für den Fall, dass Sie sich eine aufwändigere Zeichnung auf Ihrem Zifferblatt wünschen, hat Ihnen unser Photoshop-Experte Andy Jossi eine zweite Möglichkeit gestaltet.
Alle weiteren Details Ihrer Uhr, wie zum Beispiel das Uhrenband, können wir besprechen, sobald diese grossen, richtungsweisenden Fragen geklärt sind.
Von Anfang an war bei diesem Auftrag klar, dass wir noch unbekannte Antworten zu existierenden oder allenfalls noch auftauchenden Fragen während dem Prozess lösen würden. Wenn kreative Ideen umgesetzt werden wollen, gibt es immer auch neue Wege zu beschreiten. Wege, die zum ersten Mal begangen werden und allenfalls auch zuerst entdeckt und ausprobiert werden müssen.
Wie das mit Photoshop erstellte Design zu einer fertigen Uhr werden sollte, wussten wir anfänglich noch nicht. Wir haben uns ein Bedrucken der Bauteile überlegt, dies erschien uns allerdings als zu wenig individuell und zu wenig wertig. Bei einer internen Projektbesprechung brachte unsere Uhrmachermeisterin Marion Müller die Idee auf, es mit Bernadette Sommer zu versuchen.
Die in Willisau, einem Städtchen nahe Luzern, arbeitende Künstlerin restauriert unter anderem für Patek Philippe oder Omega wertvolle Vintage-Zifferblätter von Taschen- und Armbanduhren. Auch realisiert sie mikroskopisch feine Malereien auf Zifferblättern oder Porzellan. Ihre Zusage und ihr Selbstvertrauen, dass sie sich die Ausführung zutraute, untermauerte Sommer mit einer ersten Testreihe an Versuchen – welche wiederum mittels eines hochauflösenden Fotos zur Abnahme an unseren Kunden in San Francisco übermittelt wurden.
Da mit dem Feinstbemalen von Hand sich die sensiblen Höhenverhältnisse der einzelnen Bauteile änderten, wurde dem entsprechend Rechenschaft getragen. Alle sichtbaren Funktionsteile dieses ewigen kalenders wurden in Einzelanfertigung bei der Helfenstein Mechanik AG in Alpnach aus Titan hergestellt:
Die nachfolgenden Bauteile wurden konstruktiv für das Bemalen ausgelegt:
Als im Dezember 2017 seitens der Helfenstein Mechanik AG alle Bauteile des ewigen kalenders hergestellt waren und die finale Gestaltung mit unserem Kunden abgesprochen war, konnte die Ausarbeitung der Details beginnen.
Normalerweise können wir bei Einzelanfertigungen unserer Uhren ziemlich genau einen Liefertermin ins Auge fassen. Natürlich kann sich die Situation auch dort verändern, wenn beispielsweise ein fertig lackiertes Zifferblatt beim Einbau einen Kratzer bekommt oder ein feinstes Gewinde aufgrund eines klitzekleinen, nicht entfernten Spanes beim Einschrauben einer 0,25mm-Schraube ausreisst. Bei einer Serienfertigung würde nun einfach das nächste Bauteil oder das nächste Zifferblatt genommen. Bei individuell gestalteten Einzelstücken geht das nicht. Da wird mit höchster Sorgfalt nur ein jeweiliges Bauteil hergestellt und mit der entsprechenden Konzentration bearbeitet. Es ist Handarbeit auf engstem Raum und Fehler sind sofort sichtbar. Es kann also immer etwas passieren.
Bei dieser Uhr sollte es noch spezieller werden! Der Kunde aus San Francisco reagierte auch auf unsere Offerte, seinen ewigen kalender selber aufbauen zu dürfen. Da natürlich auch er nur ein begrenztes Zeitfenster zur Verfügung hatte, wurden die notwendigen zwei Tage auf Ende März 2018 geplant.
Das bedeutete, dass wir bis zu dem Zeitpunkt die komplette Uhr ohne Bemalung aufbauen und während mehrerer Tage testen mussten, um dann die Bauteile fertigzustellen und vor dem finalen Zusammenbau noch einmal den Aufbau zu machen und nochmals über mehrere Tage zu testen. Danach mussten wir alle Bauteile sorgfältigst wieder auseinanderbauen, und dabei ja keine Beschädigung riskieren, und sie für den grossen Tag des Zusammenbaus bereithalten.
Die termingerechte Lieferung einer komplexen Armbanduhr unter Einbezug einer relativen Sicherheitsmarge ist nur dann möglich, wenn ein hohes Mass an Erfahrungswerten besteht. Die Funktion des ewigen kalenders haben wir im Griff. Wie sich das Bemalen der Bauteile auf die Höhe auswirken würde, nicht.
So startete Bernadette Sommer mit dem delikatesten Bauteil in Sachen Höhe, der Datumsscheibe, und bemalte etwa einen Viertel der Scheibe. Dann wollten wir diese mit allen Bauteilen wieder aufbauen, um allfällige negative Auswirkungen vor der Fertigstellung der Arbeit erkennen zu können. Um den Prozess effizient zu halten, holten wir die wertvollen Bauteile in Willisau ab, machten den Test in Luzern und brachten die Teile 20 Stunden später wieder zurück. Es passte alles! Die Arbeiten konnten fertiggestellt werden, mit dem Ziel, Mitte Februar parat zu sein.
Parallel dazu gravierte die Firma Birchler Gravuren und Lasertechnik in Neuheim den Gehäuseboden aus Titan und, als Novum bei einer Uhr von ochs und junior, die Krone.
Die Struktur des Knochenmarks wurde zuerst gefräst und dann mit dem Einsatz von Lasertechnik mit verschiedenen Grau- bis Schwarztönen bearbeitet. Das Resultat ist beeindruckend.
Sabina Brägger, unsere Expertin für Textilien, gestaltete das Etui und nähte es aus pflanzlich gegerbtem Ecopell-Leder. Die dunkelroten Nähte symbolisieren die Arterien, welche bei der Uhr auf der Monatsscheibe und dem Minutenzeiger aufgemalt wurden. Das Störlederband nähte sie mit einer silbernen Naht; das schwarze Lederband zum Auswechseln erhielt wieder eine in Rot.
Mitte Februar lieferte Bernadette Sommer ihre Arbeit nach Luzern. Wir waren verblüfft. Die Nähe zu Andy Jossis Gestaltungsvorschlag, den er mittels Photoshop erstellt hatte, war beeindruckend!
Die nachfolgenden Bauteile wurden aufwändig von Hand bemalt: (stimmt die Zuordnung von Arterien und Venen??)
Unsere Uhrmacherin Sandra Flück war von Anfang an mit dem Bau dieser Uhr betraut und machte sich mit ihren ruhigen Händen und überlegten Bewegungen (zu sehen in diesem Video hier) an den Aufbau der Uhr mit den nun komplett lackierten Bauteilen.
Einzig die Zeiger wurden noch in Messing verwendet, um die fertigen Titanzeiger vor einer möglichen Beschädigung beim Aufsetzen und notwendigen Abnehmen zu schonen.
Ende März rückte näher und damit auch der Aufenthalt des Kundenehepaars in der Zentralschweiz. Hotel und Restauranttipps sowie mögliche Aktivitäten in Ergänzung zu jenen auf unserer Internetseite wurden persönlich von uns unterbreitet.
Für mich musste die Planung aller Eventualitäten bis zum 22. Februar abgeschlossen sein, da ich eine 6-wöchige Auszeit vor mir hatte und diese, auch in Absprache mit dem Kunden, einhalten würde.
Die Uhr wurde zwischen dem 27.3. und dem 28.3. von unserem Kunden zusammen mit Sandra Flück aufgebaut. Cail und Ludwig waren die Gastgeber. Das mit dem Lächeln auf den Lippen des Kunden beim Verlassen des Geschäftes habe ich mir erzählen lassen.
Diese Uhr ist die bis anhin komplexeste Arbeit, welche wir mit ochs und junior je realisiert haben. Dank der Zusammenarbeit, dank dem Einsatz aller Beteiligten ist daraus ein kleines Kunstwerk geworden – ein hochfunktionales. Dank den Fotos von Cail Pearce habe ich mich vom Gelingen des Projektes überzeugen können, denn es ist die einzige je gelieferte ochs und junior, die ich persönlich (aufgrund meiner Auszeit) am Ende nicht in der Hand gehalten habe. Eine spezielles Gefühl, eine einzigartige Uhr.
Danke für diesen einzigartigen Auftrag, das Vertrauen und den Enthusiasmus!
Wir haben ein nächstes Level an Massarbeiten erreicht und sind gespannt, was weiter kommt.
Preis einer Einzelanfertigung auf diesem Level gemäss Offerte.
Teilzahlung beim Start des Projektes.